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Berufsbild des Berufsbetreuers

 

Rechtliche Betreuung
- Anforderungen an die Berufsausübung selbständig tätiger Betreuer -
verabschiedet auf der Mitgliederversammlung des BVfB im November 2023

I. Vorbemerkung

Durch das am 01.01.2023 in Kraft getretene Gesetz zur Reform des Vormundschafts- und Betreuungsrechts wird über 30 Jahre nach Einführung der rechtlichen Betreuung durch ein Registrierungsverfahren die Berufszulassung geregelt. Darüber hinaus sind einige Anforderungen an die Berufsausübung konkretisiert und in Detailfragen geändert worden. Diese betreffen vor allem die Ausgestaltung des Innenverhältnisses, also die Zusammenarbeit zwischen rechtlichen Betreuern und den von ihnen betreuten Menschen. Daher ist eine Überarbeitung des am 10.05.2003 auf der Mitgliederversammlung des BVfB verabschiedeten Berufsbildes erforderlich.
Einer Definition des Berufsbildes bedarf es auf Grund der Vorgaben des Gesetzgebers jedoch nur noch in eingeschränktem Umfang. Denn das Bedürfnis der Berufsverbände im Jahr 2003 ein Berufsbild zu definieren, war in erster Linie dem Umstand geschuldet, dass die Zulassung zum Beruf nicht geregelt war.

II. Grundsätze

Die Tätigkeit rechtlicher Betreuer besteht darin, die rechtlichen Angelegenheiten in einem von den Gerichten möglichst genau zu benennenden Aufgabenkreis für eine Person zu erledigen, die hierzu wegen einer Erkrankung oder Behinderung vorübergehend oder dauerhaft nicht in der Lage ist. Machen rechtliche Betreuer bei der Erledigung dieser Angelegenheiten als gesetzliche Vertreter von ihrem Stellvertretungsrecht Gebrauch, sind ihre Willenserklärungen im Außenverhältnis wirksam und für die Betreuten bindend. Sie sind von Geschäftspartnern (Bsp.: Vermietern / Krankenversicherungen / Sozialbehörden) nicht auf ihre Wirksamkeit hin zu überprüfen.
Bei der Erledigung der rechtlichen Angelegenheiten richten sich rechtliche Betreuer nach den Wünschen der betreuten Personen. Wertvorstellungen und Erwartungshaltungen aus dem sozialen Umfeld rechtlich betreuter Menschen, sind bei der Ermittlung der Wünsche einer Person irrelevant. Bis zur Grenze des rechtlich Zulässigen, sind daher von der Gesellschaft als unangenehm oder störend empfundenen Verhaltensweisen betreuter Menschen zu akzeptieren. Von den Wünschen der Betreuten können rechtliche Betreuer ausnahmsweise abweichen, wenn

  • eine erhebliche Gefahr für das Vermögen oder die Gesundheit der betreuten Person droht, die diese wegen der Erkrankung oder Behinderung entweder nicht erkennen kann oder zwar erkennt, aber nicht ihrer Erkenntnis entsprechend handeln kann,
  • die Erfüllung des Wunsches rechtlich unzulässig oder unzumutbar wäre oder
  • die Berufsausübungsfreiheit rechtlicher Betreuer einschränken würde und dieser im Rahmen einer Abwägung mit dem Selbstbestimmungsrecht der betreuten Person Vorrang einzuräumen ist. Letzteres dürfte vor allem für Wünsche gelten, die die Art und Weise der Erledigung einer rechtlichen Angelegenheit betreffen.

Wünsche betreuter Menschen, die nicht die Erledigung einer rechtlichen, sondern einer tatsächlichen Angelegenheit betreffen, sind von rechtlichen Betreuern nicht zu erfüllen. Sie haben in diesen Fällen lediglich zu prüfen, ob der Wunsch durch eine sogenannte andere - häufig im Sozialrecht verankerte - Hilfe erfüllt werden kann und ggf. die entsprechende Leistung zu beantragen. Bezieht sich der Wunsch auf eine rechtliche Angelegenheit, prüfen rechtliche Betreuer, ob eine Erweiterung des Aufgabenkreises erforderlich ist.
Eine klare Abgrenzung der Tätigkeit rechtlicher Betreuer von anderen Hilfen ist elementar, um Reibungsverlusten vorzubeugen und eine wirtschaftlich sinnvolle Berufsausübung zu ermöglichen.

Die Kernaufgabe rechtlicher Betreuer besteht darin, die rechtlichen Angelegen- heiten für eine Person zu erledigen (Außenverhältnis) und dafür, die Wünsche und Vorstellungen der betreuten Personen in Erfahrung zu bringen, in der Regel umzusetzen, aber auch auf ihre rechtliche Relevanz hin kritisch zu hinterfragen (Innenverhältnis). Die Berufsausübung setzt daher vor allem Rechtskenntnisse, aber auch kommunikative Fähigkeiten und die Kenntnis von Methoden voraus, um die Wünsche von schwer erkrankten und behinderten Menschen - häufig mit kognitiven Beeinträchtigungen - in Erfahrung zu bringen. Letzteres kann in der Regel nur durch einen unmittelbaren Kontakt mit der betreuten Person, möglichst in ihrem vertrauten Umfeld (eigene Wohnung / sonstiger Lebensmittelpunkt) gelingen. Die Häufigkeit dieser Kontakte richtet sich auch nach dem Umfang der zu erledigenden Angelegenheiten und der Schwere einer Erkrankung oder Behinderung.

Die Berufsausübung rechtlicher Betreuer wird von den Gerichten beaufsichtigt, da es sich bei den betreuten Personen um einen besonders schutzbedürftigen Personenkreis handelt. Die Rechtsaufsicht steht daher einerseits im Zusammenhang mit der Fürsorge des Staates für diesen Personenkreis, soll aber andererseits auch Freiraum für die Realisierung der eigenen Vorstellungen betreuter Menschen schaffen (Selbstbestimmung). Als sekundäre – wenn auch wichtige – Tätigkeit rechtlicher Betreuer, sind daher Pflichten im Rahmen der Aufsicht zu erfüllen; insbesondere die Berichtspflichten, die Pflicht zur Rechnungslegung, wenn der Aufgabenbereich Vermögenssorge übertragen worden ist und die Anzeige-, Mitteilungs- und Genehmigungspflichten.
Die Aufsicht der Gerichte beschränkt sich auf die Rechtsaufsicht. Sie hat die Berufsausübungsfreiheit und das Persönlichkeitsrecht der betreuten Menschen, deren

Wünsche und das Vertrauensverhältnis zwischen den rechtlichen Betreuern und den betreuten Menschen zu respektieren. Die zentralen Ansprechpartner rechtlich betreuter Menschen sind – in der Regel über viele Jahre hinweg, häufig auch dauerhaft - ihre rechtlichen Betreuerinnen und Betreuer. Während die Zuständigkeiten in Einrichtungen der Eingliederungshilfe oder anderen sozialen oder pflegenden Einrichtungen erfahrungsgemäß häufig wechseln, bleiben rechtliche Betreuer oft der ruhende Pol im Leben betreuter Menschen. Rechtliche Betreuer sollten daher darauf achten, dass dieses Vertrauensverhältnis nicht durch unverhältnismäßige Maßnahme der gerichtlichen Aufsicht gestört wird. Eine falsch verstandene Rechtsaufsicht darf nicht dazu führen, dass rechtliche Betreuer im Rahmen des Berichtswesens gezwungen werden, Sachverhalte zu offenbaren, die nach den Vorstellungen der Betreuten vertraulich zu behandeln sind.

Rechtliche Betreuer entscheiden eigenverantwortlich, wie und in welchem Umfang sie sich fortbilden und ob sie ihre Tätigkeiten dokumentieren. Eine Aufsicht über die Fortbildung oder die Dokumentation der Tätigkeit findet nicht statt.
Rechtliche Betreuer haben schließlich die Aufgabe, die von ihnen betreuten Menschen möglichst wieder zu befähigen, ihre rechtlichen Angelegenheiten selbst zu besorgen. Auch dies ist eine rechtliche Aufgabe und keine tatsächliche oder gar medizinische. Jedoch haben rechtliche Betreuer die Entwicklungsmöglichkeiten betreuter Menschen zu beobachten und – soweit möglich – darauf hinzuwirken, dass die medizinischen oder therapeutischen Maßnahmen ergriffen werden, um Fähigkeiten betreuter Menschen zu verbessern bzw. wiederherzustellen. Vor diesem Hintergrund ist die Besprechungspflicht und die Pflicht zum persönlichen Kontakt zu sehen. Der Umfang der Bemühungen rechtlicher Betreuer wird sich in diesem Zusammenhang häufig danach richten, ob eine Erkrankung irreversibel ist und welche Bereitschaft betreute Menschen mitbringen, um an ihrer Lebenssituation etwas zu verändern. Denn rechtliche Betreuer haben weder einen pädagogischen noch einen thera- peutischen Auftrag. Widersprechen die Wünsche einer betreuten Person den im Rahmen des Rehabilitationsauftrages geplanten Maßnahmen, ist grundsätzlich den Wünschen der Betreuten der Vorrang einzuräumen.

III. Gesetzliche Mindestanforderungen an die Berufsausübung

Rechtliche Betreuerinnen und rechtliche Betreuer werden zum Beruf nur zugelassen, wenn sie über die erforderlichen Fachkenntnisse verfügen und persönlich geeignet und zuverlässig sind. Außerdem ist formal der Abschluss einer Berufshaftpflichtversicherung mit einer Mindestversicherungssumme von 250.000,00 Euro für jeden Versicherungsfall notwendig, da Berufsbetreuer den Betreuten für Schäden haften, die sie durch eine fahrlässig oder vorsätzlich begangene Pflichtverletzung verursacht haben.

1. Fachkenntnisse rechtlicher Betreuer sind in erster Linie Rechtskenntnisse auf folgenden Rechtsgebieten:

  • Sozialrecht, Betreuungsrecht, Unterbringungsrecht und Behandlungsvertragsrecht
  • Grundkenntnisse bzw. Kenntnisse betreuungsrelevanter Aspekte über Geschäfts- fähigkeit, das Recht der Stellvertretung, das Erbrecht, das Familienrecht, das allge- meine Schuldrecht, das Heimrecht, das Zwangsvollstreckungs- und Insolvenzrecht und über Teile des besonderen Schuldrechts – insbesondere des Kauf-, Haftungs- und Mietrechts

2. Fachkenntnisse sind außerdem:

  • Medizinische Grundkenntnisse über typische betreuungsrelevante Erkrankungen und Behinderungen, deren Auswirkungen, Gefahren und Behandlungsmöglichkeiten
  • Kenntnisse der Sozial- und Hilfestrukturen in der Praxis; insbesondere der Teilhabeleistungen nach dem Sozialgesetzbuch IX
  • Grundlagen der Kommunikation und der betreuungsspezifischen Kommunikation

Es liegt in der Natur der Sache, dass der Gesetzgeber neben der fachlichen Eignung zur Berufsausübung die persönliche Eignung rechtlicher Betreuer weniger präzise umschreiben kann. Von besonderer Bedeutung ist in diesem Zusammenhang jedoch die Fähigkeit, die Erledigung rechtlicher Angelegenheiten grundsätzlich nach den Wünschen und Vorstellungen der betreuten Menschen zu erledigen und eigene Wertvorstellungen und Meinungen außen vor zu lassen. Vor allem ist eine manipulative Gesprächsführung zu unterlassen. Dies setzt Unbefangenheit und Offenheit gegenüber einem Menschen voraus, der Berufsbetreuern zu Beginn einer Betreuung unbekannt ist. Diese von Respekt gegenüber anderen Menschen und Empathie geprägte Grundhaltung (persönliche berufliche Eignung) wird sich voraussichtlich in vielen Fällen neben den fachlichen Kompetenzen als ein weiterer Vorteil gegenüber der ehrenamtlichen Betreuung durch Angehörige erweisen, die erfahrungsgemäß durch Vorurteile gekennzeichnet sein kann.
Der Gesetzgeber macht die Zuverlässigkeit einer Person, die rechtliche Betreuungen beruflich führen möchte, an bestimmten Unterlagen fest, die für die Registrierung eingereicht werden müssen (Führungszeugnis etc.). Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass die Vermögensverhältnisse rechtlicher Betreuer nicht ungeordnet sein dürfen und strafrechtliche Verurteilungen wegen vorsätzlich begangener Verbrechen oder wegen einer betreuungsrelevanten Straftat (Bsp.: Untreue bei Übertragung der Vermögenssorge), in der Regel der Berufsausübung entgegenstehen.

Der Gesamtumfang und die Organisationsstruktur der Betreuertätigkeit haben rechtlich keine Auswirkungen auf die Berufszulassung. Diese Kriterien sind lediglich anlässlich der Registrierung mitzuteilen und können sich auf die Übertragung rechtlicher Betreuungen im Einzelfall auswirken.

Rechtliche Betreuer sind keine Beliehenen, die im Auftrag des Staates dessen Aufgaben erledigen, sondern handeln eigenverantwortlich im Interesse und nach den Wünschen hilfe- bedürftiger Menschen. Sie sind die zentrale Person an der Seite des oder der Betreuten und nicht Teil eines Helfersystems, in dem sie im Team gemeinsam für den Betreuten agieren; letzteres schon deshalb nicht, weil ein rechtliches Vorgehen gegen Akteure aus diesem Helfersystem erforderlich werden kann. Rechtliche Betreuer bieten keine Dienstleistung im engeren Sinne an, sondern üben in einem sehr komplexen sozialstaatlichen Hilfesystem eine überwiegend juristisch geprägte Tätigkeit aus.

IV. Gesetzlich nicht geregelte Anforderungen an die Berufsausübung freier Berufsbetreuer

Über 80 % der in Deutschland tätigen Berufsbetreuer sind freiberuflich tätig. Sie verdienen Ihren Lebensunterhalt überwiegend oder vollständig dadurch, dass sie rechtliche Betreu- ungen führen. Sie stehen angesichts der vom Gesetzgeber beabsichtigten Besserstellung von ehrenamtlichen und angestellten Vereinsbetreuern im Rahmen der Rechtsaufsicht vor besonderen Herausforderungen. Dennoch sind sie auf Grund ihrer Unabhängigkeit besonders gut geeignet, fremde rechtliche Interessen einseitig zu vertreten.
Im Zusammenhang mit der freiberuflichen Tätigkeit rechtlicher Betreuer kann und will der BVfB lediglich einige Empfehlungen abgeben, die nicht als „Berufsbild“ missverstanden werden sollen, sondern lediglich den Erfahrungen der letzten 30 Jahre geschuldet sind:

Rechtliche Betreuer sollten

  • sich von verschiedenen Gerichten (möglichst 3 bis 6) als rechtliche Betreuer bestellen lassen,
  • selbstfürsorglich handeln; also der eigenen Gesundheit gegenüber den beruflichen Verpflichtungen den Vorrang einräumen,
  • möglichst vor der Betreuerbestellung die zu betreuende Person in einem Vier-Augen- Gespräch persönlich kennenlernen und prüfen, ob der mit der Betreuung zu erwar- tende Arbeitsaufwand bewältigt werden kann,
  • die Übernahme einer rechtlichen Betreuung ablehnen, wenn dies wegen des abzuse- henden Zeitaufwandes oder der persönlichen Belastung eine Gefährdung der Funkti- onsfähigkeit des Betreuerbüros zur Folge hätte,
  • grundsätzlich die Übernahme einer rechtlichen Betreuung ablehnen, wenn diese von der Behörde oder dem Gericht an eine Bedingung geknüpft wird (Bsp.: Übernahme einer weiteren besonders schwierigen Betreuung),
  • möglichst über ein abgeschlossenes betreuungsrelevantes Hochschulstudium (Bachelor) verfügen,
  • vor dem Beginn ihrer Tätigkeit über die finanziellen, organisatorischen und technischen Voraussetzungen für die Berufsausübung verfügen,
  • regelmäßig Kontakt zu anderen rechtlichen Betreuern eingehen und sich über die Berufstätigkeit austauschen,
  • betriebswirtschaftlich sinnvoll handeln und sich vor überzogenen Erwartungs- haltungen schützen,
  • Fortbildungen besuchen,
  • die Beendigung der Berufstätigkeit mindestens 6 Monate zuvor den zuständigen Betreuungsgerichten mitteilen und einen Betreuerwechsel anregen.

Abgesehen von diesen allgemeinen Grundregeln, hat der BVfB keine Veranlassung, weitere - insbesondere ethische - „Anforderungen“ an die Berufsausübung zu formulieren. Stattdessen sind wir der Meinung, dass jeder Freiberufler und jede Freiberuflerin in der Lage sein sollten, den für ihn / sie „richtigen Weg“ für die Berufsausübung zu finden.