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Politische Positionen des Bundesverbandes freier Berufsbetreuer / Stand Mai 2020

I.

Der Bundesverband freier Berufsbetreuer (BVfB) versteht sich als Interessenvertreter der selbständig tätigen Berufsbetreuer und nicht als Vermittler zwischen den Interessen der am Diskussionsprozess über das Betreuungswesen beteiligten Verbände und Personengruppen.

Zur Erreichung seiner Ziele und zur Weiterentwicklung des Betreuungswesens hält der BVfB einen ständigen konstruktiven Austausch mit sämtlichen Verbänden, Interessenvertretern und Personengruppen, die sich an der Diskussion über das Betreuungswesen beteiligen, für sinnvoll und erforderlich, was unter anderem durch seine Aktivitäten im „Kasseler Forum“ zum Ausdruck kommt, in dem die gemeinsamen Positionen der Verbände gegenüber der Politik ausgelotet und formuliert werden sollen.

II.

Der BVfB versteht rechtliche Betreuung in erster Linie als einen Beruf, der sich auf Grund geänderter gesellschaftlicher und rechtlicher Verhältnisse, dem Rückzug des Staates aus der Betreuung (Stichwort: Behördenbetreuer) sowie eines gestiegenen Bedarfs in den neunziger Jahren etabliert hat. Dass rechtliche Betreuung auch ehrenamtlich durch Angehörige oder vereinzelt durch Fremdbetreuer erfolgt, steht der Anerkennung der Tätigkeit als Beruf nicht entgegen.

III.

Der BVfB versteht rechtliche Betreuung als eine Tätigkeit, die nicht lediglich persönliche, sondern auch fachliche Fähigkeiten voraussetzt. Vor allem vertiefte Rechtskenntnisse sind Voraussetzung für die Berufsausübung. Darüber hinaus sind unter anderem Kenntnisse auf dem Gebiet der Sozialen Arbeit und medizinische Grundkenntnisse notwendig. Der BVfB hält ein abgeschlossenes, auf den Beruf zugeschnittenes Studium als gesetzlich geregelte Voraussetzung für die Zulassung zum Beruf für dringend erforderlich. Mit der Einführung dieser Zulassungsvoraussetzung sollten Bestandsschutzregelungen für bereits tätige Berufsbetreuer eingeführt werden.

Die von zahlreichen Betreuungsbehörden durchgeführten Prüfungen von Berufsanfängern erfolgen ohne Rechtsgrundlage. Soweit ihr Bestehen zur Voraussetzung für die Ausübung des Vorschlagsrechts der Behörden bzw. die Aufnahme in eine „Betreuerliste“ gemacht wird, werden sie vom BVfB als verfassungswidrige Berufszulassungsbeschränkungen bewertet.

Mit Nachdruck wendet sich der BVfB gegen die Regelung in § 1 VBVG nach der die Ausübung des Berufs von der Anzahl der übertragenen Betreuungen bzw. einem bestimmten Zeitaufwand abhängig gemacht wird.

IV.

Alleinstellungsmerkmale rechtlicher Betreuung sind die Befugnis zur Stellvertretung sowie das personenzentrierte und einseitig interessenorientierte Arbeiten, dem ein Vertrauensverhältnis zwischen Betreuern und Betreuten zugrunde liegen sollte.

  1. Stellvertretung begreift der BVfB als ein dringend erforderliches Mittel zur Durchsetzung der Interessen der Betreuten. Von dieser Befugnis ist Gebrauch zu machen, wenn die betreute Person ihre Rechte nicht selbst geltend machen kann. Sie hat mit Bevormundung oder einem Eingriff in das Selbstbestimmungsrecht nichts zu tun, wenn dadurch dem Willen und / oder den Wünschen der Betreuten entsprochen wird.

  2. Nur die Tätigkeit rechtlicher Betreuer orientiert sich an sämtlichen Bedürfnissen einer Person, für die ein krankheits- oder behinderungsbedingter Unterstützungsbedarf besteht und gerade nicht an einer sachbezogenen Leistung. Versuche, die Personenzentrierung im Sozialrecht - beispielsweise in der Eingliederungshilfe - zu etablieren, müssen scheitern, weil die Eingliederungshilfe eine Sozialleistung darstellt und sich nicht - wie im Betreuungsrecht durch die Festlegung von Aufgabenkreisen - am gesamten Hilfebedarf einer Person - insbesondere auch außerhalb des Sozialrechts - orientiert.

  3. Einseitige Interessenvertretung ist nur möglich, wenn diese von einer vom Staat unabhängigen Person wahrgenommen wird, die Ansprüche der Betreuten im Widerspruchs- oder Klageverfahren durchsetzen kann. Interessenkonflikte im Falle einer Interessenvertretung der betreuten Person durch Behördenmitarbeiter (Angestellte im Öffentlichen Dienst) sind vorprogrammiert und mit der Gefahr verbunden, Sozialleistungen nur in dem Umfang zu gewähren, wie dies seitens des Staates gewünscht ist.

  4. Durch die Dauer einer rechtlichen Betreuung und die Erstreckung auf sämtliche rechtliche Angelegenheiten, für die eine Unterstützung erforderlich ist, ist sie in besonderem Maße zum Aufbau eines Vertrauensverhältnisses geeignet. Dies ist bei der Formulierung, Geltendmachung und Durchsetzung von Rechtsansprüchen von Vorteil und kann von keiner staatlichen Institution oder einer in ihrem Auftrag handelnden Person geleistet werden.

  5. Ein Handeln gegen den natürlichen Willen der betreuten Person kann nur in Ausnahmefällen erforderlich sein, wenn anderenfalls erhebliche Gefahren für wesentliche Rechtsgüter der betreuten Person bestehen oder Betreuer gegen eine Rechtspflicht verstoßen würden, wenn sie dem Willen der betreuten Person entsprächen.

  6. Unterstützte Entscheidungsfindung ist eine Methode zur Feststellung des Willens und der Wünsche einer betreuten Person, die Auswirkungen auf das Innenverhältnis hat. Ob und inwieweit diese Methode wissenschaftlich erforscht werden und Gegenstand einer Berufsausbildung sein kann, bleibt abzuwarten.

V.

Der BVfB wehrt sich mit Nachdruck gegen die Reduzierung rechtlicher Betreuung auf einen Grundrechtseingriff. Hierdurch wird die Grundrechtsdogmatik insgesamt infrage gestellt. Aus der Schutzfunktion der Grundrechte ist abzuleiten, dass rechtliche Betreuung verfassungsrechtlich geboten sein kann, wenn andere Hilfen nicht ausreichen, um den Hilfebedarf einer Person zu decken.

Die UN-Behindertenrechtskonvention ist ein völkerrechtlicher Vertrag, der als einfaches Recht bei der Auslegung der Grundrechte zu beachten ist. Äußerungen des UN- Behindertenrechtsausschusses sind als eine Rechtsansicht zu bewerten, die bei der Auslegung der Grundrechte, die allein dem Bundesverfassungsgericht vorbehalten bleibt, zu berücksichtigen ist. Im Einklang mit der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ist der BVfB der Auffassung, dass stellvertretendes Handeln gegen den Willen einer Person zur Durchsetzung der Schutzfunktion der Grundrechte rechtlich geboten sein kann.

In diesem Zusammenhang weist der BVfB darauf hin, dass in der Bevölkerung zahlreicher Staaten, die die UN-BRK unterzeichnet haben, Grundrechte ausschließlich als Abwehrrechte wahrgenommen werden dürften, weil die tatsächlichen Verhältnisse in der Justiz einen darüber hinaus gehender Grundrechtsschutz gar nicht ermöglichen. Vor diesem Hintergrund verwundert es nicht, wenn von diesen Vertragsstaaten stellvertretendes Handeln, das auf einer staatlich verliehenen Befugnis beruht, undifferenziert und ausnahmslos als Verletzung der Konvention angesehen wird.

VI.

Der BVfB tritt für ein pauschaliertes Vergütungssystem ein, das trotz der Einführung von Fallpauschalen weiterhin den Zeitaufwand und die mit einer rechtlichen Betreuung einhergehende Verantwortung als vergütungsrelevante Kriterien berücksichtigt.

  1. Wissenschaftliche Untersuchungen und die Erfahrungen aus der Praxis zeigen, dass die anlässlich der Einrichtung einer Betreuung diagnostizierte Krankheit bzw. Behinderung ein vergütungsrelevantes Kriterium darstellt. Dieses Kriterium ist - wie das Betreuungsrecht insgesamt - zwar defizitorientiert und gerät damit in Konflikt mit der UN- Behindertenrechtskonvention. Jedoch ist dies nach Einschätzung des BVfB der aufrichtigere und realitätsnähere Blick auf die tatsächliche Situation der betroffenen Personen.

  2. Darüber hinaus hält der BVfB unverzüglich eine Dynamisierung der Vergütung für dringend erforderlich. Im Zuge der erst bis zum 31.12.2024 zu erwartenden Evaluierung zur Angemessenheit der Fallpauschalen werden die noch nicht vollständig absehbaren Auswirkungen der dritten Reformstufe des Bundesteilhabegesetzes auf die Wohnformen von besonders großer Bedeutung sein. Insbesondere muss verhindert werden, dass über den Umweg der Neuregelung der Eingliederungshilfe Wohnformen geschaffen oder so ausgestaltet werden, dass sich vergütungsrechtlich Nachteile für rechtliche Betreuer ergeben, ohne dass damit eine spürbare Arbeitsentlastung einhergeht.

  3. Der BVfB strebt - einhergehend mit der Einführung eines abgeschlossenen Studiums als Zulassungsvoraussetzung - mittelfristig eine gleiche Vergütung für alle Berufsbetreuer in einer Vergütungstabelle an.

  4. Mit Verärgerung hat der BVfB die bundesweit durchgeführte und noch andauernde Überprüfung der Qualifikationen rechtlicher Betreuer zur Kenntnis genommen, die für viele Freiberufler erhebliche Umsatzeinbrüche zur Folge hatte, teilweise mit der Rückforderung bereits ausgezahlter Vergütungen verbunden war und in zahlreichen Fällen ohne jede Sensibilität für die Grundrechtsrelevanz dieser Maßnahmen (Berufsfreiheit) und den Vertrauensschutz vorgenommen wurde. Eine zentrale Forderung des BVfB ist daher die zu Beginn der Berufsausübung verbindliche Feststellung der „Vergütungsstufe“ (anzuwendenden Vergütungstabelle). Soweit die Feststellung durch die Behörde vorgenommen wird, muss die Entscheidung für den betroffenen Betreuer anfechtbar und damit gerichtlich überprüfbar sein.

VII.

Nachdem die Erstbestellungen rechtlicher Betreuungen bis ca. 2010 von Jahr zu Jahr erheblich zugenommen haben, sucht die Politik weiterhin nach Mitteln und Wegen die Einrichtung rechtlicher Betreuungen einzudämmen. Der BVfB ist davon überzeugt, dass dabei die Rechte der Betroffenen nicht ausreichend berücksichtigt werden und finanzielle Interessen der Länder vorranging sind.

  1. Kritisch sieht der Verband die staatlich massiv geförderte Werbung für die Erteilung von Vorsorgevollmachten, die als geradezu alternativlos dargestellt wird. Die Erfahrungen einiger Polizeibehörden (Landeskriminalämter); die sich mit der Aufklärung von Missbrauchsfällen im Zusammenhang mit Vorsorgevollmachten befassen, sprechen eine andere Sprache: Verwandtschaft schützt nicht per se vor Missbrauch! Es ist die Aufgabe des Staates sich einzumischen, wenn im Familienkreis schutzbedürftigen Menschen erheblicher wirtschaftlicher oder gesundheitlicher Schaden droht.

  2. Auch die Neuregelung der Eingliederungshilfe durch die 3. Reformstufe des BtHG blendet die rechtliche Betreuung und die Aufgabe rechtlicher Betreuer nahezu vollständig aus und stellt einen weiteren Versuch dar, den Beruf zurückzudrängen. Jedoch wird dabei übersehen, dass sich rechtliche Betreuung nach höchstrichterlicher Rechtsprechung selbstverständlich nicht auf die Abgabe rechtserheblicher Erklärungen beschränkt, sondern auch auf deren Vorbereitung und die rechtliche Prüfung der Anspruchsgrundlagen erstreckt.

  3. Die zeitlich begrenzte Fallverantwortung im Vorfeld oder anstatt einer rechtlichen Betreuung erscheint dem BVfB ebenfalls nicht geeignet, um die Anzahl der Betreuungen in Deutschland zu reduzieren. Bei den Hinweisen in der Politik auf die „guten“ Erfahrungen in Österreich wird übersehen, dass es dort weder freiberuflich tätige Betreuer noch Betreuungsbehörden gibt. Abgesehen davon, dass eine Finanzierung dieser Maßnahme durch die Länder nicht gewollt ist, bestünde die Gefahr, dass den Gerichten die Prüfung der Voraussetzungen für die Anordnung einer rechtlichen Betreuung entzogen würde.
  1. Die Stärkung des Ehrenamtes, die Verkürzung der Überprüfungsfristen, eine strikte Beachtung des Erforderlichkeitsgrundsatzes und - in geeigneten Fällen - der Antrag auf Aufhebung der Betreuung scheinen dem BVfB daher als ausreichend, um eine Reduzierung rechtlicher Betreuungen in angemessenem Umfang zu erreichen.

VIII.

Der BVfB unterstützt den Vorschlag, in einer Berufsordnung die Selbstverwaltung des Berufs unter anderem durch die Gründung einer Kammer zu regeln. Solange in der Politik jedoch keine Bereitschaft erkennbar ist, die Zulassung zum Beruf an gesetzlich geregelte, fachliche Zulassungskriterien zu knüpfen, wird sich der BVfB nicht im Vorfeld an einer Beaufsichtigung oder Kontrolle der Tätigkeit seiner Mitglieder beteiligen, sondern diese Aufgabe (Rechtsaufsicht) - wie im Gesetz vorgesehen - den Betreuungsgerichten überlassen.