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Berufspolitische Leitlinien und Handlungsfelder des Bundesverbandes freier Berufsbetreuer für den Zeitraum 2012 bis 2014

Beschluss der Mitgliederversammlung des BVfB e.V. vom 28.09.2012

Präambel
Zur Erfüllung des satzungsgemäßen Verbandszweckes des Bundesverband freier Berufsbetreuer orientiert sich der Vorstand an berufspolitischen Leitlinien. Er misst daran das bestehende Betreuungsrecht, eigene Änderungsbestrebungen und Bestrebungen Dritter. Der BVfB e.V. arbeitet dazu in (geeigneten) Organisationen mit und geht Bündnisse ein, wenn es der Beförderung der Verbandsinteressen dient.

Berufspolitische Leitlinien

  • Professionalisierung: die Gewährleistung einer hohen Fachlichkeit und Qualität der Betreuungsarbeit und die Bereitstellung ausreichender Ressourcen für die Erfüllung des gesetzlichen Auftrages der freien rechtlichen Betreuer.
  • Existenzsicherung: die Schaffung und Sicherung von Rahmenbedingungen, welche freien rechtlichen Betreuer nach § 1896 BGB ermöglichen, einer stabilen und auskömmlichen Vollerwerbstätigkeit nachgehen zu können.
  • Fachliche Unabhängigkeit: die konkrete Betreuungsführung soll nur der Rechtsaufsicht unterliegen. Berufsbetreuer haben einen Anspruch gegenüber Gerichten und Gesetzgeber auf Schutz vor sachfremden Einflüssen Dritter.

Die wichtigste Voraussetzung zur Verwirklichung der Leitlinien bleibt die gesetzliche Regelung der Betreuereignungskriterien: wenn feststeht, wer unter welchen Voraussetzungen Berufsbetreuer werden darf - und dies nicht dem Gutdünken von Richtern und Behördenmitarbeitern überlassen bleibt - ergeben sich daraus auch die wesentlichen Rechte und Pflichten von Berufsbetreuern. Aber auch die bereits tätigen Berufsbetreuer haben einen Anspruch darauf, dass Bundes- und Landesgesetzgeber zumutbare Rahmenbedingungen schaffen und dass sie wegen ihrer bisher weitgehend rechtlosen Situation nicht länger Spielball unterschiedlicher Interessen bleiben.

Die Verwirklichung der Leitlinien wird der Vorstand im Zeitraum 2012 bis 2014 vor allem in den folgenden berufspolitischen Handlungsfeldern tätig werden:

  1. Verlässlicher Berufseinstieg – kein Zwang zum Ehrenamt
  2. Klare sozialgesetzliche Regelung der Aufgaben sozialer Dienste in Abgrenzung zur Betreuertätigkeit
  3. Kein Verweis auf fiktives Vermögen bei Vergütung, kein Zwang zum Inkasso für die Staatskasse
  4. Fallschwierigkeitsbezogene Vergütung bei psychisch Kranken
  5. Einheitlicher Stundenansatz bei jeder erstmaligen Bestellung als Berufsbetreuer
  6. Ausgleich des Kaufkraftverlustes der Betreuervergütung seit 2005
  7. Bestandsschutz für die qualifikationsbezogene Vergütungsstufe

1. Verlässlicher Berufseinstieg – kein Zwang zum Ehrenamt

§ 1 VBVG regelt nicht, wie künftige Berufsbetreuer in verlässlicher Weise Fälle übertragen bekommen, um einen Anspruch auf Vergütung zu erwerben. Dies bedarf der Klärung.

Nach einer repräsentativen Befragung von 980 Berufsbetreuern hat das Institut für Recht und Ökonomie des Betreuungswesens festgestellt, dass 3 % aller Berufsbetreuer nach der Feststellung der Berufsmäßigkeit der Betreuertätigkeit weiterhin durchschnittlich 4,46 Fälle (über einen durchschnittlichen Zeitraum von 3,8 Jahren) ehrenamtlich führen müssen, weil Richter und/oder Betreuungsbehörde die weitere Übertragung vergüteter Fälle davon abhängig machen. Ein solcher Missbrauch von Befugnissen muss gesetzlich ausgeschlossen werden.

2. Klare Sozialgesetzliche Regelung der Aufgaben sozialer Dienste in Abgrenzung zur Betreuertätigkeit

Der Leistungsumfang ambulanter Dienste im Bereich von Eingliederungshilfe und Pflege ist durch Gesetz und Landesrahmenvereinbarungen sehr allgemein geregelt. In der Praxis ergeben sich zunehmende Konflikte, wenn sich sowohl Mitarbeiter ambulanter Dienste als auch Betreuer unter Berufung auf ihre Vergütung für unzureichenden Zeit-umfang aus Tätigkeiten zurückziehen. Betreuer unterliegen aber einer Rechtsaufsicht. Versuche von Akteuren des Betreuungswesens, mit Trägerverbänden zu Aufgabenabgrenzungsvereinbarungen zu kommen, die über die Handreichung des Deutschen Vereins hinausgehen, sind gescheitert. Es bedarf gesetzlicher Regelungen über den konkreten Umfang der Sozialleistungsansprüche betreuter Menschen.

3. Kein Verweis auf fiktives Vermögen bei Vergütung, kein Zwang zum Inkasso für die Staatskasse

Die Anwendung der sozialhilferechtlichen Regelungen über das verwertbare Vermögen auf die Mittellosigkeit bei der Vergütungsentscheidung führt in einer steigenden Zahl von Fällen dazu, dass Berufsbetreuer auf ihre Vergütungen warten müssen. Wie z.B. das Landgericht Koblenz in einem Beschluss vom 14. März 2012 (2 T 58/12) entschied, wird die Vergütung nicht aus der Staatskasse ist gewährt, wenn der Betroffene ein Kontoguthaben in kurzer Zeit durch mehrere erhebliche Barabhebungen auf einen Beitrag unter der Schonvermögensgrenze reduziert und sich dann weigert darzulegen, was mit den abgehobenen Beträgen geschehen ist.

Der Betroffene sei dann nicht als mittellos anzusehen und der Vergütungsanspruch gegen den Betroffenen zu richten. Andere Gerichte verweisen Betreuer auf das Vermögen, auch wenn dies nur aus aktuell nicht veräußerbaren Grundstücken besteht. Nach dem Tod des Betroffenen müssen Betreuer jahrelang mit den Erben um ihre Vergütung prozessieren. Es bedarf einer Ergänzung in § 1836c BGB, wonach der Betroffene nur dann als bemittelt gilt, wenn zur Befriedigung des Vergütungsanspruches tatsächlich Bargeld/ Kontoguthaben zur Verfügung steht. Berufsbetreuer dürfen nicht zu Inkassobeauftragten der Landesjustizkassen degradiert werden.

4. Fallschwierigkeitenbezogene Vergütung bei psychisch Kranken

Für psychisch kranke und suchtabhängige Betroffene müssen Berufsbetreuer deutlich mehr Zeit aufwenden als für nur geistig behinderte oder altersdemente Menschen. Dieser unterschiedliche Zeitaufwand muss bei der Bemessung der Stundenansätze in § 5 VBVG endlich berücksichtigt werden.

5. Einheitlicher Stundenansatz bei jeder erstmaligen Bestellung als Berufsbetreuer

Wenn ein Berufsbetreuer bestellt wird, nachdem bereits ein ehrenamtlicher Betreuer tätig war, wird vergütungsrechtlich unterstellt, dass schon alles wichtige geregelt und daher ein geringerer Stundenansatz gerechtfertigt sei. Tatsächlich haben Berufsbetreuer aber bei jedem Betreuerwechsel zunächst einen hohen Zeitaufwand, vor allem dann, wenn der Grund für den Wechsel die Nichteignung oder pflichtwidriges Handeln des Vorbetreuers war. Es muss daher in § 5 VBVG ein einheitlicher Stundenansatz bei der Bestellung als Berufsbetreuer gewährt werden, unabhängig davon, ob sich schon ein anderer Betreuer an dem Fall versucht hat.

6.Ausgleich des Kaufkraftverlustes der Betreuervergütung seit 2005

Seit der letzten Anpassung der Stundensätze im VBVG am 1.7.2005 wird sich bis zum 30.6.2013 eine Preissteigerungsrate in Höhe von 15 % ergeben haben. Einschließlich der 3 % Umsatzsteuererhöhung im Jahr 2006 ergibt sich ein Kaufkraftverlust der Vergütung in Höhe von 18 %, der gesetzlich auszugleichen ist.

Eine solche Erhöhung der Sätze des Vormünder- und Betreuervergütungsgesetzes entspricht der im Entwurf des 2. Kostenrechts-Änderungsgesetzes vorgesehenen Erhöhung der Rechtsanwaltsvergütungen im Rahmen der Prozesskostenhilfe, dort wird (seit der letzten Anpassung im Jahre 2004) eine Erhöhung um knapp 15 % vorgeschlagen.

7. Bestandsschutz für die qualifikationsbezogene Vergütungsstufe

Eine der Vergütungsgewährung einmal zugrunde gelegte Vergütungsstufenfeststellung begründet keinen Vertrauensschutz für den Berufsbetreuer. Das Betreuungsgericht kann bei einem späteren Vergütungsantrag eine niedrigere Vergütungsstufe fest-stellen, wenn es die Ausbildung des Berufsbetreuers anders beurteilt, wie der Bundesgerichtshof am 8. Februar 2012 (XII ZB 230/11) festgestellt hat.

In einer erheblichen Zahl von Fällen wurde über 10 oder mehr Jahre ein Stundensatz von 44 € gewährt, dann festgestellt, dass der Berufsbetreuer über keine verwertbare Ausbildung verfüge - vor allem für einschlägige Stundengänge, die nicht mit einem Diplom abgeschlossen wurden. Der Bundesgerichtshof meint, dass das Betreuungsgericht bei jedem neu gestellten Vergütungsfestsetzungsantrag erneut das Vorliegen der Voraussetzungen für die Höhe der Vergütung prüfen und gewonnene bessere Erkenntnis umsetzen müsse. Berufsbetreuer könnten daher nicht davon ausgehen, dass ein einmal vergüteter Stundensatz auch in Zukunft immer wieder zuerkannt werde.

Es ist für langjährig tätige Berufsbetreuer nicht zumutbar, ein erneutes Hochschulstudium zu absolvieren, um wieder die Voraussetzungen für die höchste Vergütungsstufe zu erfüllen. Es muss gesetzlich geregelt werden, dass nach fünfjähriger Gewährung einer Vergütungsstufe Bestandsschutz hinsichtlich der nachgewiesenen Qualifikation gewährt wird.


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