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Rechtliche Betreuer fordern Anerkennung ihres Berufes
Rechtliche Betreuer fordern Anerkennung ihres Berufes
lesen Sie hier einen Beitrag aus der Neuen Presse
Behindertenbeauftragter und Landeswahlleiter empfehlen Antragstellung bei bisherigen Wahlrechtsausschlüssen
Wahlen für alle:
Behindertenbeauftragter und Landeswahlleiter empfehlen Antragstellung bei bisherigen Wahlrechtsausschlüssen
Medieninformation des Thüringer Sozialministerium Nr. 072/2019
Der Beauftragte der Thüringer Landesregierung für Menschen mit Behinderungen, Joachim Leibiger, und der Landeswahlleiter Günter Krombholz haben angesichts der am 26. Mai 2019 gleichzeitig stattfindenden Kommunal- und Europawahlen zur Wahlrechtsausübung von Menschen, die unter Vollbetreuung stehen und Menschen, die wegen einer Straftat im Zustand der Schuldunfähigkeit in einem psychiatrischen Krankenhaus untergebracht sind, Empfehlungen zur Wahlrechtsausübung gegeben.
„In beiden Fällen ist es ratsam, vorsorglich bis 5. Mai 2019 bei der Wohnsitzgemeinde einen schriftlichen Antrag auf Eintragung in das Wählerverzeichnis zu stellen. Zwar ist der Wegfall der Wahlrechtsausschlüsse bei den Kommunalwahlen bereits bei der Aufstellung der Wählerverzeichnisse von Amts wegen zu beachten. Zur Sicherheit sollten Betroffene jedoch einen Antrag stellen“, so Joachim Leibiger.
„Bei der Europawahl erfolgt hingegen keine von Amts wegen automatische Korrektur des Wählerverzeichnisses von Seiten der Gemeinden. Hier kann das Wahlrecht nur ausgeübt werden, wenn rechtzeitig, also ebenfalls bis 5. Mai 2019, ein Antrag auf Aufnahme in das Wählerverzeichnis schriftlich gestellt wird“, führte Günter Krombholz aus.
Beide erklärten zudem das Verfahren, falls Wahlberechtigte trotz Antragstellung bis zum 6. Mai 2019 keine Wahlbenachrichtigung erhalten:
„Im Falle der Europawahlen haben Betroffene noch bis 10. Mai 2019 Zeit, schriftlich oder durch Vorsprache bei der Gemeindeverwaltung und Protokollaufnahme durch einen Bediensteten Einspruch gegen die Richtigkeit des Wählerverzeichnisses einzulegen. Anschließend sollte die Wahlbenachrichtigung ausgestellt und zugesandt werden. Falls dem Einspruch nicht stattgegeben wird, kann innerhalb von zwei Tagen Beschwerde bei der Gemeinde eingelegt werden, über die dann der Kreiswahlleiter endgültig zu entscheiden hat. Die Beschwerde ist ebenfalls schriftlich oder durch Vorsprache bei der Gemeindeverwaltung und Protokollaufnahme einzulegen.
Im Falle der Kommunalwahlen können ebenfalls bis 10. Mai 2019 formlos Einwendungen gegen die Richtigkeit des Wählerverzeichnisses erhoben werden. Lehnt die Gemeinde eine Berichtigung ab, können Wahlberechtigte sofort das Verwaltungsgericht anrufen.“
Joachim Leibiger äußerte sich abschließend zufrieden:
„Auch, wenn die Zeit jetzt etwas knapp ist, können alle Menschen, die einen Betreuer für alle Angelegenheiten haben oder in einer psychiatrischen Einrichtung wegen einer Straftat untergebracht sind, ihr Wahlrecht endlich ausüben. Damit geht eine jahrelange Auseinandersetzung, die vor dem Hintergrund der UN-Behindertenrechtskonvention geführt wurde, zugunsten der Betroffenen zu Ende. Ich danke den Abgeordneten des Thüringer Landtages, des Bundestages und dem Bundesverfassungsgericht für die in den letzten Wochen getroffenen wegweisenden Entscheidungen, aber auch den Kommunen, die jetzt alles unternehmen, um jedem zu seinem Wahlrecht zu verhelfen.“
Hintergrund:
Der Thüringer Landtag hat mit Beschluss vom 29. März 2019 die Wahlrechtsausschlüsse für sogenannte Vollbetreute und in psychiatrischen Krankenhäusern untergebrachte Straftäter bei den Landtags- und Kommunalwahlen aufgehoben. Das entsprechende Gesetz ist seit dem 3. April 2019 in Kraft. Für die Europawahlen hat das Bundesverfassungsgericht auf Antrag mehrerer Fraktionen des Deutschen Bundestages mit Urteil vom 15. April 2019 entschieden, dass der gleiche Personenkreis an den Wahlen teilnehmen kann, wenn er einen Antrag auf Eintragung in das Wählerverzeichnis stellt.
Antrag auf Aufnahme in das Wählerverzeichnis für die Wahl zum Europäischen Parlament am 26.05.2019
Empfehlungen zur Qualitätssicherung bei der Findung von Berufsbetreuern
Empfehlungen zur Qualitätssicherung bei der Findung von Berufsbetreuern
Präambel:
Es ist gesetzliche Aufgabe der Betreuungsbehörden, in Unterstützung des Vormundschaftsgerichtes, geeignete Betreuer zu gewinnen (§ 8 S. 2 BtBG i.V.m. § 6 BtBG und § 1897 Abs. 7 BGB). Dies bezieht sich sowohl auf die Gewinnung ehrenamtlicher Betreuer als auch auf die Gewinnung von Berufsbetreuern.
Wird eine Person erstmals als Berufsbetreuer bestellt, soll das Gericht zuvor die zuständige Behörde zur Eignung des ausgewählten Betreuers anhören sowie dazu, ob ihm in absehbarer Zeit in einem solchen Umfang Betreuungen übertragen werden, dass er sie nur im Rahmen einer Berufsausübung führen kann ( § 1897 Abs.7 BGB).
Diese Aufgabe erfordert in der praktischen Umsetzung:
- Leitlinien, in denen Anforderungen und Standards für die Gewährleistung einer ethisch und fachlich qualifizierten Betreuungsarbeit festgeschrieben sind, auf deren Grundlage es den Betreuungsbehörden erleichtert wird, Ermessen bei der Feststellung der Geeignetheit von Betreuern einheitlich und nachvollziehbar ausüben zu können.
- bei der Planung der Personalausstattung zu beachten, welchen Zeitumfang die genannte Aufgabe hat, unter Beachtung des im folgenden dargestellten Verfahrens.
Die Landesarbeitsgemeinschaft für Betreuungsangelegenheiten im Freistaat Thüringen hat daher nach Auswertung einer durchgeführten Umfrage zur Anwendung von Geeignetheitskriterien mögliche Mindestanforderungen an einen Berufsbetreuer erarbeitet.
Diese Mindestanforderungen stellen eine Empfehlung zur Unterstützung der Arbeit der Vormundschaftsgerichte und vor allem der örtlichen Betreuungsbehörden bei der Auswahl von Berufsbetreuern dar.
1. Fachliche Voraussetzungen
1.1. Der zukünftige Berufsbetreuer sollte über einen Beruf, der nutzbare Kenntnisse zur Führung von Betreuungen vermittelt, verfügen. Nutzbare Kenntnisse für den Berufsbetreuer werden dabei insbesondere bei Angehörigen folgender Berufsgruppen als gegeben vorausgesetzt:
- Juristen
- medizinisches Fachpersonal
- Sozialarbeiter/Sozialpädagogen, Diplomsozialarbeiter/Diplomsozialpädagogen
- Psychologen, Diplompsychologen
- Pädagogen, Diplompädagogen
- Berufe aus Verwaltung und Betriebswirtschaft (wie Betriebswirte, Bankkaufleute, Steuerberater, Verwaltungsfachangestellte, Verwaltungsbeamte)
- sonstige Berufsgruppen, wenn durch bereits langjährige Tätigkeit entsprechende Fachkenntnisse o.g. Berufsgruppen erworben wurden
Der zukünftige Berufsbetreuer sollte über eine mindestens 3-jährige Berufspraxis verfügen.
1.2. Der zukünftige Berufsbetreuer sollte über Grundkenntnisse in einschlägigen Rechtsgebieten im Sozialrecht (BSHG, SGB III; SGB IV, SGB V, SGB VI, SGB IX, SGB XI), Zivilrecht (BGB, FGG, BtG, BtBG), Verwaltungsrecht (SGB X, VwVfG) und Strafrecht (StGB, StPO) verfügen.
Darüber hinaus werden von den zukünftigen Berufsbetreuern Grundkenntnisse aus Pädagogik, Psychologie, Psychiatrie und der allgemeinen Sozialmedizin sowie methodische Grundkenntnisse in der Beratungs- und Hilfeplanung erwartet.
Vertiefte Fachkenntnisse sollten insbesondere in folgenden Fachgebieten vorliegen:
- Gesundheitssorge
- Aufenthaltsbestimmung
- Vermögenssorge
Die bereits vorhandenen Fachkenntnisse sollten durch die Betreuungsbehörde im Rahmen eines vertieften Gespräches bzw. mittels Abfragen auf der Grundlage von Fragebögen ermittelt werden.
1.3. Der zukünftige Berufsbetreuer muss sich verpflichten, sich insbesondere in den Gebieten, die nicht in seiner Ausbildung eingebunden waren, während seiner bevorstehenden Qualifizierungszeit fortzubilden.
Die Betreuungsbehörde legt die entsprechenden Themengebiete fest.
2. Persönliche Voraussetzungen
Die professionelle Führung von Betreuungen bedingt besondere persönliche Anforderungen wie Verlässlichkeit, Belastbarkeit, Durchsetzungsvermögen, Einfühlungsvermögen und Kooperationsfähigkeit. Der Berufsbetreuer sollte daher über die notwendige persönliche Reife und Lebenserfahrung verfügen. Diese kann grundsätzlich vorausgesetzt werden, wenn folgende Kriterien kumulativ gegeben sind:
2.1. Mindestalter in der Regel 30 Jahre, wobei zu beachten ist, dass mit der Steigerung des Lebensalters im Interesse der Betroffenen darauf zu achten ist, dass mindestens eine Betreuungszeit von 5 Jahren abgesichert werden sollte und evtl. darüber hinaus noch eine Verlängerung möglich sein kann.
2.2. Erfahrungen im persönlichen Umgang mit Menschen, die auf Grund einer psychischen Krankheit oder einer körperlichen, geistigen oder seelischen Behinderung ihre Angelegenheiten ganz oder teilweise nicht besorgen können.
2.3. fachliche Kompetenz ( siehe 1.1. und 1.2.)
2.4. persönlichen Kompetenz:
- Erfahrungen im Umgang mit Behörden
- Durchsetzungs- und Einfühlungsvermögen
- Ehrlichkeit und Zuverlässigkeit
- hohe Frustrationstoleranz
- hohe psychische und physische Belastbarkeit
- Organisationsgeschick
- Rollenbewusstsein (Abgrenzung der eigenen beruflichen und persönlichen Bedürfnisse zu den Betroffenen)
Über das Vorliegen der persönlichen Voraussetzungen hat sich die Betreuungsbehörde zu vergewissern.
Die Landesarbeitsgemeinschaft empfiehlt dabei insbesondere die Punkte 2.2. und 2.4. durch ein persönliches Vorgespräch zu eruieren, das Vorliegen der Voraussetzungen nach 2.3. und 2.1. hingegen durch die formelle Bewerbung im Sinne von Punkt 4.
3. Organisatorische Voraussetzungen:
Der zukünftige Berufsbetreuer sollte gegenüber der Betreuungsbehörde nachweisen, dass die organisatorischen Voraussetzungen für die erfolgreiche Führung von Betreuungen gegeben sind.
Dabei sind bereits bei einer Tätigkeit als ehrenamtlicher Betreuer erforderlich:
- Mobilität (Führerschein und Kfz je nach Infrastruktur)
- Erreichbarkeit (Telefon/Fax)
- Dokumentation der Betreuungsarbeit
Spätestens bei Beginn der Tätigkeit als Berufsbetreuer sind darüber hinaus erforderlich:
- Büro oder büroähnliche Organisation
- Vertretungsreglung
- Nachweis einer Berufshaftpflichtversicherung bzw. Vermögensschadenhaftpflichtversicherung
4. Formelle Bewerbung:
Der zukünftige Berufsbetreuer sollte seine Absicht, künftig als Berufsbetreuer tätig sein zu wollen in einer formellen Bewerbung anzeigen.
An diese Bewerbung sind folgende inhaltliche Kriterien zu knüpfen:
- Bewerbungsschreiben Lebenslauf (tabellarisch)
- Ausbildungsnachweise
- Nachweise über Fort- und Weiterbildungen
- Arbeitszeugnisse
- polizeiliches Führungszeugnis
- Auszug der Schufa
Qualifizierungszeit:
Der zukünftige Berufsbetreuer sollte in der Regel 1 Jahr Qualifizierungszeit absolvieren.
Während der Qualifizierungszeit kann er sich einem anerkannten Betreuungsverein
anschließen und / oder wird durch die Betreuungsbehörde begleitet.
In dieser Zeit:
- führt er ca. 3 ehrenamtliche Betreuungen,
- bildet er sich gemäß den Festlegungen der Betreuungsbehörde fort,
- hat er die Möglichkeit den Umgang mit Menschen zu testen,
- sollte er seine fachlichen Kenntnisse in der Praxis umsetzen,
- kann er seine Belastbarkeit selbst testen,
- kann er soziale Kompetenz beweisen
Einschätzung der Betreuungsbehörde:
Die zukünftigen Berufsbetreuer müssen nach ihrer Qualifizierungszeit, gegenüber der Betreuungsbehörde, kompakt dokumentieren, wie die Betreuungen erfolgten und wie sie systematisch und zielsicher ihre Tätigkeit organisierten.
Mit dieser Dokumentation sollen die zukünftigen Berufsbetreuer nachweisen, dass sie auch eine Vielzahl von Betreuungen parallel zueinander führen können, und das professionell. Erst nach der Darstellung dieser Dokumentation erfolgt eine Stellungnahme der Betreuungsbehörde gegenüber dem Vormundschaftsgericht.
Es wird ausdrücklich darauf verwiesen, dass auch ein Vorschlag beim Vormundschaftsgericht keinen Rechtsanspruch auf das berufsmäßige Führen von Betreuungen nach sich zieht. Die Betreuungen werden je nach Bedarf und nach persönlichen Möglichkeiten übertragen.
(Aus Gründen der besseren Lesbarkeit wurde jeweils die männliche Form der Berufsbezeichnung „Berufsbetreuer" verwendet. Eine Diskriminierung des weiblichen Geschlechts ist damit selbstverständlich nicht beabsichtigt.)